20. „Ghosts Of Mars“ (2001)
Leider kein Fall von „so schlecht, dass es schon wieder gut ist“, sondern nur ein Fall von „so schlecht, dass man ihn kein zweites Mal sehen will“. Marskolonisten haben sich mit einem Virus angesteckt, sehen nun aus wie Captain Howdy und massakrieren Polizisten, die nicht mehr wissen, wohin.
Die Besetzungsliste liest sich kurios. Sie versammelt has-beens wie „Species“-Starlet Natasha Henstridge, die, ungewöhnlich für Carpenters Blick auf Frauen, als Bomb Shell statt Persönlichkeit gecastet wurde; „Blade Runner“-Replikantin Joanna Cassidy, die wenig später in „Six Feet Under“ auftrumpfen würde, hier aber wohl aus retroseliger Erinnerung angestellt wurde; sowie Pam „Foxy Brown“ Grier, die, nur vier Jahre nach ihrer Gala in „Jackie Brown“, schon gegen die Vergessenheit ankämpfen musste.
Außerdem Jason Statham in einer frühen Action-Rolle sowie Ice Cube als Knastbruder Desolation Williams. Der Mars sieht aus wie ein rot eingefärbtes Bad Segeberg, die Kloppereien zwischen den Crazies und den Cops wie bei Bud Spencer.
Carpenters letzter Film für die nächsten neun Jahre.
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19. „Memoirs Of an Invisible Man“ („Jagd auf einen Unsichtbaren“, 1992)
Kritiker fragten sich, warum ausgerechnet Carpenter eine Komödie drehen musste. Das ist aber nicht der Punkt. „Big Trouble In Little China“ zum Beispiel, eine Action-Komödie, war ziemlich lustig. Der Misserfolg hängt vor allem mit Chevy Chase zusammen, der in den frühen 1990er-Jahren schon abgemeldet war, aber hiermit und mit diesem Regisseur – auf sanfte Weise – ein ganz kleines bisschen ernster genommen werden wollte.
Chase’ Sicht auf die Dinge: Ein existenzialistisches Drama! Ab wann höre ich, der Unsichtbare, auf zu existieren? In welchem Zustand nehmen mich die anderen nicht mehr wahr?
Regisseur Ivan Reitman sprang ab, er war zu humoristisch. Nach ihm Autor William Goldman („Ich bin zu alt und zu reich für die Scheiße“), schließlich Richard Donner als Filmemacher, dem man zumindest den Umgang mit Spezialeffekten zutraute. Blieb Carpenter, der zwar keinen Ruf zu verlieren hatte, aber mit dem Indie-Spuk „They Live“ zumindest bewiesen hatte, dass er noch immer Gespür für Horror hatte. Hollywood rief ihn nun ein zweites Mal, und er kam zurück. Großer Fehler.
Chase und Hauptdarstellerin Daryl Hannah waren danach verbrannt – und Carpenter wandte sich wieder, zum dritten Mal dann und final, dem Horror zu.
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18. „Escape from L.A.“ („Flucht aus L.A.“, 1996)
Carpenter verstand, dass sich eine geniale, originäre Idee nicht toppen lässt –und versuchte gar nicht erst, das zweite Abenteuer seines Helden Snake Plissken neu zu gestalten. Er machte aus der „Flucht aus New York“ von 1981 eine „Flucht aus L.A.“ 1996. Ein Reboot. Der Film scheiterte spektakulär, die meisten Kritiker wussten nicht, ob das Ergebnis eine Satire sein sollte oder ernst gemeint.
„You gotta be kidding me!“, ruft Steve Buscemi, dabei ist unklar, ob er Snakes Surfboard-Ritt auf einer Digi-Sturmwelle meint –oder die schlechten Spezialeffekte. Schon aus damaliger Sicht schlechter als Playstation 2. Und aus dem lakonischen Sträfling Snake wurde, Indy und James Bond machten es vor, eine Comic-Figur.
Kurioserweise hält John Carpenter „L.A“ für das überlegenere Plissken-Werk und glaubt daran, dass es, wie sein „Ding“ von 1982, eine Neuentdeckung erfahren wird. Eine interessante Prognose. Auf jeden Fall ist „L. A.“ noch ambitionierter (oder einfach dicker aufgetragen) als das Original: Der Polizeistaat USA findet seine Vollendung, nun werden nicht mehr nur Knackis, sondern auch Freidenker und Atheisten lebenslang verdammt.
Am Ende zerstört Snake Plissken sämtliche Elektrizität auf Erden.
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17. „The Ward“ (2010)
Das Comeback nach neun Jahren Kino-Pause ist handwerklich sauber, geradezu schick fotografiert, sieht aber nicht aus wie ein Carpenter-Film. Für einen der größten Stilisten des Horror-Kinos eigentlich untragbar. Satte, klare Farben, doch nicht mal der Score stammt von ihm selbst, sondern einem Mann namens Marc Kilian.
Das „tote Mädchen“ erinnert an J-Horror aus dem „Ring“ oder „Grudge“. Das größte Problem aber ist der Twist, bekannt aus „Identity“.
Das macht den „Ward“ unfreiwillig –hat niemand Carpenter vor Drehstart auf die Ähnlichkeiten hingewiesen? –zur schlechten Kopie.
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16. „Vampires“ („John Carpenter’s Vampire“, 1998)
Aus dem linken Antisexisten ist ein linker Sexist geworden, so ließe sich dieses Vampir-Märchen auch sehen: Ständig wird die Prostituierte Katrina (Sheryl Lee) geschlagen, das Helden-Duo der Vampir-Jäger Jack Crow (James Woods) und Montoya (Daniel Baldwin) behandelt sie nicht gut.
Immerhin war es überfällig, dass Carpenter sich, 24 Jahre nach seinem Leinwand-Debüt mit „Dark Star“ und unzähligen Monster-Interessen, dem Vampir-Genre zuwendet. Er selbst verortet es im Genre „Independent Horror Western“. Puh.
Aber warum eigentlich nicht: Die Jagd auf den Dämonenfürst Valek spielt in New Mexiko, alles ist voller Staub, modriger Hütten, Cowboystiefel und archaischer Methoden. Die Ähnlichkeiten mit seinem nächsten Film „Ghosts Of Mars“ sind unübersehbar: Schlägereien wie in Italo-Western, mittendrin ein Goth-Overlord (Thomas Ian Griffiths), ein echter End Boss, der unbesiegbar erscheint.
Nur angedeutet bleibt Carpenters Kritik an der katholischen Kirche, in Person des Betrügers Kardinal Alba (Maximilian Schell).
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15. „In The Mouth Of Madness“ („Die Mächte des Wahnsinns“, 1994)
Viele bezeichnen dieses Werk als sein letztes richtig gutes. Aber es ist unglaublich wirr. Einen Film zu drehen über ein Buch, das jeden Leser in den Wahnsinn treibt, ist eine Herausforderung: Soll man den Horror des geschriebenen Wortes überhaupt visualisieren? Oder traut man sich, vielleicht der Wirkung eines lediglich verbalisierten Textes zu vertrauen –und Menschen in Gedanken abdriften zu lassen?
Carpenter fuhr eine Monster-Parade auf. Die Kreaturen stehen im Dienste des Schriftstellers mit dem –tollen! –Namen Sutter Cane (Jürgen Prochnow). Als ihn aufspürender Privatdetektiv John Trent jedoch wirkt Sam Neill, wie sonst auch, wenn er in Filmen mit zu vielen Spezialeffekten interagieren muss, siehe „Jurassic Park“, seltsam abwesend.
Es gibt einige wenige gelungene Schockmomente –der Angriff durch das Café-Fenster, der Ehemann unter dem Empfangstresen –, aber die herrlich altmodische Lovecraftsche Gedanke, dass Literatur Menschen um den Verstand bringt, verpufft inmitten des Spektakels.
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14. „Christine“ (1983)
Nach seinem grandios ausgestatteten, aber grandios gefloppten „The Thing“ musste Carpenter einen Gang runterschalten. Stephen Kings „Firestarter“ bekam er nicht, dafür dessen „Christine“ –und mit dem Roman auch alle Probleme, die eine Verfilmung dieses Stoffes mit sich bringen musste.
Leere Autos sind einfach nicht gruselig, egal, was sie anstellen. Der beseelte, diabolische Plymouth Fury verbreitet keinen Schrecken. Mit diesem Problem hatte schon King im Buch zu kämpfen, er richtete seinen Fokus deshalb auch auf die Adoleszenz-Probleme seiner drei menschlichen Protagonisten, erste Liebe und Eifersucht. Das Filmplakat (s.o.) verdeutlichte alle Turbulenzen: Wer mit derart viel erklärendem Text werben muss, weiß doch eigentlich nicht weiter.
Erst zum Schluss, also zu spät, verfrachtete Carpenter –anders als King –den armen, fehlgeleiteten Arnie Cunningham selbst auf den Fahrersitz von „Christine“ und lässt ihn attackieren.
Der Regisseur dürfte dennoch Spaß am Dreh gehabt haben, er liebt Rock’n’Roll, genauso wie der Oldtimer, der sich sein Radio selbst anstellt.
https://www.youtube.com/watch?v=9aU5l2e9YlQ
13. „Village Of The Damned“ („Das Dorf der Verdammten“, 1995)
Ab Mitte der Neunziger war Carpenter abgemeldet, aber sein Remake des 1960er-Klassikers von Wolf Rilla (wiederum die Verfilmung von John Wyndhams Roman „The Midwich Cuckoos“) hat einige letzte, wirkungsvolle Momente. Der tote Mann auf dem Barbecue-Grill, der erzwungene Selbstmord der Mutter, die von der Klippe springt.
Im Kampf gegen die besessenen Kinder schart Carpenter die aussortierten Superhelden des Fantasy-Kinos um sich. Ehemalige A-Stars. Mark Hamill alias Luke Skywalker als fanatischer Priester (wo noch durfte er je so zweifelnd auftreten?) sowie „Superman“ Christopher Reeve als Arzt, der eine Idee entwickelt, wie die Außerirdischen gestoppt werden können. Es sollte Revees letzte Rolle vor jenem Reitunfall sein, der zu seiner Querschnittslähmung führte.
Am Ende stoppt der Doc die Kinder, er kommt gemeinsam mit ihnen bei einer Explosion um. Dass keiner den Tod von Kindern betrauert, und seien es solche Kinder, zeigt die einnehmende Wirkung dieses Horrorfilms. Tolle Tagline: „Beware The Children“.
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12. „Elvis“ (1979)
Einer Anekdote zufolge bekam Carpenter den Auftrag für den dreistündigen TV-Film, weil die Produzenten seinen Score für „Halloween“ mochten. Sie dachten, der kann Musik, dann kann er also auch den King des Rock’n’Roll. Tatsächlich würde „Elvis“ sein bis heute einziges Biopic bleiben, er sehnte sich nach dem Biopic, da er nicht als Horror-Regisseur abgestempelt werden wollte.
„Elvis“ ist in Vergessenheit geraten, aber in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Es würde die erste von insgesamt fünf Kooperationen mit Hauptdarsteller Kurt Russell sein, der einen fabelhaften Job macht (den Gesang jedoch übernahm Countrymusiker Ronnie McDowell). Die Darstellung kann niemals einfach sein –kaum eine Musikerpersönlichkeit dürfte einen Mimen stärker dazu verleiten Manierismen vorzuführen als Elvis, bei dem jeder Schritt und Blick wie eine Theaterperformance wirkte.
Der Film ist zum Glück keine „Cradle to Grave“-Biografie, sie endet 1970, als Presley eigentlich schon durch war mit allem. Carpenters Werk war die erste große filmische Interpretation von Elvis’ Leben, der zwei Jahre zuvor verstarb.
Die Einschaltquoten schlugen auf ABC die von „Einer flog über das Kuckucksnest“, es gab Nominierungen für den Golden Globe und den Emmy.
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11. „Big Trouble in Little China“ (1986)
Carpenters erste Komödie mit dem –dankenswerterweise für den deutschen Markt nicht übersetzten – Screwball-Titel präsentiert Kurt Russell natürlich nicht in seiner coolsten, vielleicht aber in seiner lustigsten Rolle. Jack Burton ist der Trucker, der asiatische Papiertüren einrennt, statt sie zu öffnen. Eine Karikatur des kompetenten Amis, völlig überfordert. Am Ende wird einem klar, dass Burton nicht der Held ist, sondern nur der Sidekick der chinesischen Martial-Arts-Kämpfer. Er rennt vor in jedes Bild, hat aber mit der Mythologie überhaupt nichts zu tun.
Amerika war in den Achtzigern dennoch nicht bereit für Kampfsport mit Fantasy. Das Kino von Rübermachern wie Jackie Chan wurde als Exotik bewundert, importiert, aber nicht selbst hergestellt. Carpenter war wütend, weil sein Studio „Big Trouble“ nicht ausreichend beworben hätte, der Film deshalb furios unterging. Es war sein Sargnagel in Hollywood.
Spätestens seit Quentin Tarantinos „Kill Bill“ von 2003 sind fliegende Kämpfer und asiatische Märchen in Hollywood etabliert, und Tarantino hatte sich auch an den alten Burton erinnert, als er Russell im Jahr 2007 für sein „Death Proof“ engagierte. Er sagte, er wolle Russell, dessen Karriere in den 1990ern schlecht lief, wieder in einer harten Rolle sehen und besetzte ihn als Stuntman Mike.
Burton hat seine Spuren in „Death Proof“ hinterlassen. An der Wand eines Diners hängt ein „Big Trouble in Little China“-Requisit: das verschwitzte Trägerhemd desTruckers.
Übersetzt verkünden die um den Filmtitel „Big Trouble In Little China“ drapierten chinesischen Schriftzeichen: „Evil Spirits Make A Big Scene In Little Spiritual State“ – was sehr frei übersetzt so viel heißt wie großes Bohei um Nichts.
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